Landsberger Tagblatt, 5. März 2012, von Dr. Gudrun Szczepanak
Das "Vaterunser" einmal neu gesehen
Gemäldezyklus von Marlen Labus im Studio Rose in Schondorf in einer Ausstellung zu sehen. Von Gudrun Szczepanek
In den letzten Jahren war Marlen Labus, zweite Vorsitzende des Regionalverbandes Bildender Künstler, vor allem durch ihre Kunstaktionen zur Kunstnacht in Landsberg präsent. Jetzt zeigt sie im Studio Rose in Schondorf den Zyklus "Vaterunser", elf Bilder, die nicht nur aufgrund ihres Themas bemerkenswert erscheinen. So wurden bei der Ausstellungseröffnung am Freitag Thema und Malerei lebhaft und mitunter kontrovers diskutiert.
Zentrales Thema der Christen
Da ist einerseits das Thema, das "Vaterunser" als zentrales Gebet der Christen, das die unterschiedlichsten Gefühle und Fragen entstehen lässt. Wie aktuell und zeitgemäß sind die Worte heute noch? Können wir angesichts von Kriegen und Umweltzerstörung noch an ein "Reich Gottes" glauben?
Ausschlaggebend für das Entstehen des Bilderzyklus' von Marlen Labus war vor vielen Jahren der Besuch einer Ausstellung von Andreas Felger. Dessen vierzehn Aquarelle zum "Vater Unser" konnten sie in ihrer Buntheit und abstrakten Figuration nicht überzeugen. Seitdem ließ sie das Thema nicht mehr los und sie suchte nach Möglichkeiten einer adäquaten malerischen Umsetzung. Erst Ende des letzten Jahres kam der entscheidende Impuls durch den Roman "Nachtzug nach Lissabon" von Pascal Mercier, dessen Protagonist auf einen Brief stößt, den er noch mal und noch mal lesen muss.
Emotionale Worte inspirieren
Der Inhalt dieses Briefes hatte auch auf Marlen Labus eine derart starke Wirkung, dass die emotionalen Worte unmittelbar die neuen Bilder inspirierten. Dabei geht es vor allem um Emotionen und Assoziationen, um Farben und Formen. Es sind keine Illustrationen, auch wenn sich die Wortsequenzen im "Vaterunser" auf die zehn neuen Bilder übertragen lassen. Das elfte Bild auf der Staffelei ist etwas größer und entstand bereits 2010 im Rahmen der Ausschreibung "Aufbruch zur Ewigkeit".
Erstmals verzichtete die Malerin hier auf jegliche Figuration oder auf Linien und geometrische Formen. Stattdessen werden zarte Farben in vielen lasierenden Schichten übereinander getupft, sodass eine changierende, ja vibrierende Oberfläche entsteht, die sich unserer Wahrnehmung entzieht und in eine endlose Tiefe führt.
Diese fluffige Malerei ist grundlegend für den aktuellen Zyklus. Auch hier beginnen die Farbflächen ein Eigenleben, sprechen unsere Gefühle an und setzen jede Menge Assoziationen frei. Doch anders als bei dem früheren Bild sind die Farben in Farbfelder eingebunden, deren Ränder zart und unmerklich verschmelzen.
Hier stand offensichtlich die Malerei von Mark Rothko Pate, dem Pionier der expressiven und meditativen Farbfeldmalerei. Doch man sieht auch das Bemühen von Marlen Labus nicht zu kopieren, sondern von Rothko zu lernen und seine Malerei weiterzuentwickeln. Während der amerikanische Maler seine Farbflächen derart über- und nebeneinander legte, dass an den Rändern die Schichtungen sichtbar blieben, schafft Marlen Labus akkurate Übergänge, die das Geheimnis ihrer Farbschichtungen verbergen. Überhaupt ist die Farbe und deren Zusammenspiel in Simultan- oder Komplementärkontrasten seit ihrem Studium bei Wolfgang Becker an der Wiesbadener Freien Kunstschule das zentrale Thema ihrer Malerei. Im Kontext von Stimmung und Farbsymbolik, wirksam werden hier auch die liturgischen Farben, geraten die Formen in Bewegung, streben nach oben, öffnen sich in den Hintergrund oder drängen aus der Bildfläche heraus.
Der meditative Charakter der Bilder, die unmittelbar auf den Betrachter wirken, kann sich freilich erst vollständig entfalten, wenn der umgebende Raum ruhig und leer ist. Dann allerdings scheint der sakral anmutende Ausstellungsraum mit dem hohem Giebelfenster wie geschaffen für den "Vaterunser"-Zyklus.